• (c) Lupi Spuma

Rost und Raum

Wie Urban Camping Eisenerz mit Lebensfreude erfüllt

Einen Tag vor Festivalbeginn wars soweit: alle Schlafplätze fürs Urban Camping am Rostfest waren ausverkauft. Das Zelten ohne Zelt hat in den letzten Jahren eine ziemliche Fangemeinde aufgebaut.

Bereits zum vierten Mal fand heuer das Rostfest in Eisenerz statt. Eisenerz. Eine Stadt mit 4329 EinwohnerInnen und mindesens genau so viel leerstehenden Räume/Wohnungen/Gebäuden. Diesem Leerstand wieder Leben einzuhauchen ist integraler Bestandteil des Rostfest. Ziemlich motiviert setzt sich das Festival für regionale Impulse mit den vorhandenen Problemen und Heruasforderungen auseinander. Leerstehende Räume werden geöffnet – Kunstinterventionen finden im öffentlchen Raum statt, Musikbühnen sind im ganzen Zentrum platziert und die rund 60 leerstehnden Wohnungen in der Münichtalsiedlung werden fürs Festivalwochenende zu Matratzenlagern.

(c) Lupi Spuma
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Die Wohnsiedlung, etwas außerhalb des Stadtkerns, bot nach dem zweiten Weltkrieg vor allem Platz für die Arbeiter am Erzberg. Aus mangelnder Perspektive zogen viele weg, und niemand nach. Heute stehen die meisten Wohnungen leer. Nicht für die fünf Tage rund ums Rostfest. In den unmöblierten Zimmern mit etwas rostigem Flair und doch besonderer Atmosphäre haben Urban Camper ihre Schlafsäcke ausgebreitet. Jene die keinen Platz mehr finden konnten, fragen im Pfarrhaus nach freien Bodenflächen für die Matratze an.

Ohne Warmwasser und Strom wohnen, feiern und schlafen (manchmal) rund 500 Menschen in der Siedlung. Der Innenhof und die Zufahrt sind plötzlich belebt – man kocht, tratscht und musiziert miteinander. Fünf oder weniger Tage stellen sich die CamperInnen auf ein kleines Abenteuer ein und erfüllen die unbewohnten Flächen der trostlosen, postindustriellen Siedlung mit Lebensfreude.

(c) Lupi Spuma
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Was noch nicht ist, das bauen wir

Lung Peng, Architekturstudent aus Graz, war nicht nur einer der Camper sondern besonders involviert. Gemeinsam mit Daniel Huber betrieb er die „Requisite“, das Pop Up Wirtshaus am Festival. „Wir haben einfach alles mitgebracht, was wir brauchen. Und was wir nicht hatten, haben wir uns dazu gebaut“, erzählt Lung. Bierbänke, Tische, Kühlschrank, Matratzen, Decken und natürlich ein Plattenspieler waren im Gepäck der kochenden Urban Camper. Den Strom haben sie selbst gelegt.

„Die Ressource Raum motiviert ungemein. Wenn wir Räume zur Verfügung stellen können, haben sehr viele Menschen große Motivation, diese Räume mit Inhalten zu füllen“, ist sich Rostfest Mitorganisator und –initiator Rainer Rosseger sicher. Und behält damit ziemlich Recht.

Die Requisite. (c) Lung Peng
Die Requisite. (c) Lung Peng

Die beiden selbsternannnten Performanceköche der Requisite füllen den Leerstand kulinarisch kreativ. Immer wenns grade passte, servierten Lung und Daniel „Bud Spencer Eintopf“, „Fatnessteller“ oder „Gin-Tonic Eislutscher“. Und gaben dem Leerstand um sich dadurch einen schmackhaften Sinn.

Wer übrigens keine €9 pro Nacht & Schlafplatz zahlen wollte (bei mehr Schlafplätzen wird’s billiger) oder sich nicht besonders für das Matratzenlager im 70-Jahre Flair begeistern lies, der konnte sein Zelt ganz traditionell hinter dem Eisenerzhof aufbauen.